Senso – Das Kundenmagazin von Helsana - page 2

2
Fokus
Gesundheit
Foto: Christian Schnur
I
ch bewundere meine drei Töchter. Sie
ernähren sich ausgewogen und trei-
ben regelmässig Sport. Ich selber bin
weniger asketisch. Ich spiele bloss
Orgel. Ich setze mich jeden Morgen
um 6.00 Uhr an die Tasten; in einer
menschenleeren kleinen Kirche, allein mit
Bach, Mendelssohn oder Mozart. Danach fah-
re ich zur Arbeit ins Spital.
Dort bin ich immer öfter mit Patienten
konfrontiert, die es so vor zwanzig oder drei-
ssig Jahren noch nicht gab: Sie kennen ihre
Körperfunktionen in- und auswendig, haben
vor der Visite im Internet recherchiert und ver-
blüffen mich und meine Kollegen mit ihrem
Detailwissen. Ich gehöre nicht zu den Ärzten,
die dadurch ihre Autorität bedroht sehen. Mit
informierten Patienten lässt es sich besser re-
den. Und selbstverständlich ist das gestiege-
ne Interesse an der persönlichen Gesundheit
einer der wichtigsten Gründe für die steigen-
de Lebenserwartung in der westlichen Welt.
Kritisch sehe ich jedoch die Anspruchs-
haltung, die sich darin ausdrückt. Es ist im
Grunde die Haltung der viel gescholtenen Ap-
paratemedizin: Der Mensch ist eine Maschine,
die sich tunen lässt; der Arzt ist ein Mechani-
ker, der seine Kunden möglichst rasch wieder
auf die Piste schicken soll – und wenn er ver-
sagt, klärt man die Haftpflicht ab.
Der Glaube, Gesundheit sei mach- und plan-
bar, ist verführerisch. Wer würde sich nicht
wünschen, nie krank zu sein? Aber wir alle
wissen, dass dies ein Traum bleibt. Es kann
jeden von uns treffen. Das Schicksal braucht
keine Gründe.
Als Chirurg mit vierzig Jahren Klinikerfah-
rung plädiere ich deshalb für Demut im Um-
gang mit der Gesundheit. Es gibt kein Men-
schenrecht auf körperliches und geistiges
Wohlbefinden. Die Gesundheit ist ein Ge-
schenk, das wir tagtäglich geniessen sollten:
beim Jogging, beim Biss in einen Apfel oder
eben beim Orgelspiel.
PROF. DR. URBAN LAFFER
Der verheiratete Vater von drei Kindern ist
medizinischer Leiter am Spitalzentrum Biel und
Präsident des Verbands der chirurgisch
und invasiv tätigen Fachgesellschaften, fmCh.
Prolog
1 3,4,5,6,7,8,9,10,11,12,...32