Senso – Das Kundenmagazin von Helsana - page 13

Fortschritt und Sittenverfall
In den Achtzigern war die Spitalwelt noch in Ordnung. Professor Brinkmann leitete im weissen Kittel seine
«Schwarzwaldklinik», angehimmelt von Schwester Christa und unterstützt von der moralinsauren Oberschwester
Hildegard. Vorlage für das Spitalepos, das in sechs Staffeln die Welt umkreiste, war die tschechische Serie
«Das Krankenhaus am Ende der Stadt», Ende der Siebziger in 21 Länder ausgestrahlt. Von heiler Welt sind moderne
Serien weit entfernt: Serienhelden wie «Dr. House» sind soziopathisch und tablettensüchtig, und Schwestern
wie «Nurse Jackie» ebenso selbstherrlich wie von kleinen chemischen Helfern abhängig. Zwischen diesen Polen
siedeln sich Landärzte an, Bergdoktoren, Schönheitschirurgen und Krankenschwestern – vor allem in europäischen
Serien sind Frauen noch vorwiegend in der Pflege tätig («Nikola», «Für alle Fälle Stefanie»), während sie in Amerika
komplexe Herzoperationen durchführen («Grey’s Anatomy») oder eine Praxisgemeinschaft leiten («Private Practice»).
sterben. Sagen Sie ihm,
er soll es mit dem
anderen positiv sehen.»
Zitat aus Dr. House
Fotos: NBC, Getty images/Brigitta Garcia Lopéz/Tim Wegner, laif/Rainer Eggenberger
Heilung auf 64 Seiten
Jean Pauls 1809 erschienene
Arztnovelle «Dr. Katzen-
bergers Badereise»
mag den Anfang der Arzt-
thematik in der Literatur
markieren, aber so richtig
boomten die Arztromane
erst nach dem 2.Weltkrieg.
Mittlerweile bei Nummer 1012
angelangt, soll «Dr. Norden»
über 180 Millionen Heftromane
(meist 64 Seiten dick) verkauft
haben. Als Werbeaktion für den
Verein Hausärzte Stadt Zürich
schrieb der Satiriker Patrick Frey
2010 den Hausarztroman «Dr.Bolliger – Das
Geheimnis des Tramführers». 2012 folgte «Das
Ekzem war ihr Schicksal».
Serien-Statistik
70 Arzt- oder Spitalserien flimmern seit 1969
über die Bildschirme. Dabei führen
die USA
die Produktion mit 39 an,
gefolgt von Deutsch-
land (11) und Grossbritannien (10). Den letzten
Platz teilen sich Österreich und Kolumbien mit
je einer Produktion. Aber in Kolumbien regiert
ja auch die tägliche Telenovela mit Intrigen,
Liebesleid und Happy End.
Ärzte kennen das: Am Tag nach einer Medizin-
sendung oder der Ausstrahlung einer Folge ei-
ner Arztserie häufen sich in der Praxis
Patienten mit Symptomen oder Krankheits-
bildern, die am TV gezeigt wurden und die
die «Betroffenen» danach im Internet recher-
chiert haben. Der Begriff Cyberchondrie
umschreibt, wie das
Recherchieren im Internet
Ängste schüren
kann.
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